Am 11. Februar wurde in einer Moskauer Zeitung ein Artikel "Der lange Staat Putins" von Wladislaw Surkow, dem "Demiurg des Kremls", veröffentlicht. Nun werden die Thesen des Artikels in Russland heftig und kontrovers diskutiert. Und die Leser des RF-Blogs haben die Möglichkeit, sich mit diesem Artikel in deutscher Übersetzung vertraut zu machen.
Die Illusion der Wahl ist die wichtigste der Illusionen und der wichtigste Trick der westlichen Lebensweise und der westlichen Demokratie, die sich schon seit langem eher den Ideen von Barnum als dem Cleisthenes verschrieben hat. Die Ablehnung dieser Illusion zugunsten des Realismus der Prädestinierung veranlasste unsere Gesellschaft, zunächst über ihre eigene, souveräne Version der demokratischen Entwicklung nachzudenken und dann das Interesse an Diskussionen darüber zu verlieren, was Demokratie sein sollte, und ob sie prinzipiell existieren sollte.
Die Wege des freien Staatsaufbaus öffneten sich, und zwar nicht durch importierte Chimären, sondern durch die Logik historischer Prozesse und damit durch die "Kunst des Möglichen". Ein unmöglicher, unnatürlicher und gegengeschichtlicher Zerfall Russlands wurde gestoppt, wenn auch mit Verspätung. Nachdem Russland vom Niveau der UdSSR bis zum Niveau der Russischen Föderation hinuntergerutscht war, hörte es auf zu kollabieren. Es begann sich zu erholen und kehrte schließlich zu seinem natürlichen und einzig möglichen Zustand einer großen, wachsenden und zusammenwachsenden Gemeinschaft der Nationen zurück. Die unbescheidene Rolle unseres Landes in der Weltgeschichte erlaubt es uns nicht, die Bühne zu verlassen oder in der Menge zu schweigen. Sie verspricht keine Ruhe und gibt einen unruhigen Charakter der hiesigen Staatlichkeit vor.
Also existiert der russische Staat weiter, jetzt aber nach einem neuen Typ, den wir bis jetzt noch nicht kannten. Dieser Staatstyp kam in der Mitte der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts zustande. Er ist noch bei weitem unerforscht, aber seine Originalität und Lebensfähigkeit liegen auf der Hand. Stresstests, die dieser Staat bereits bestanden hat und weiter besteht, zeigen, dass ein solches organisch gebildetes Modell der politischen Struktur in den nächsten nicht nur Jahren, sondern auch Jahrzehnten und höchstwahrscheinlich für das gesamte kommende Jahrhundert ein wirksames Mittel zum Überleben und zur Erhebung der russischen Nation sein wird.
Also kennt die russische Geschichte vier wesentliche Staatsmodelle, die nach den Namen ihrer Schöpfer bezeichnet werden können: der Staat von Iwan dem Dritten (Großherzogtum / Königreich Moskau und ganz Russland, XV - XVII. Jahrhundert); der Staat von Peter dem Großen (Russisches Reich, XVIII - XIX Jahrhunderte); der Staat von Lenin (Sowjetunion, 20. Jahrhundert); Putins Staat (Russische Föderation, XXI Jahrhundert). Von den Menschen des langen Willens (nach Gumilews Ausdrucksweise) geschaffen sicherten diese riesigen politischen Maschinen, die sich nacheinander ablösten und im Laufe der Jahrhunderte repariert und angepasst wurden, eine hartnäckige Aufwärtsbewegung für die russische Welt.
Putins große politische Maschine gewinnt erst jetzt an Schwung und stellt sich auf ein langes, schwieriges und interessantes Wirken ein. Die volle Auslastung dieser Maschine ist nicht einmal in Sicht. Aber auch in vielen Jahren bleibt Russland immer noch Putins Staat, so wie sich das moderne Frankreich immer noch die Fünfte Republik von de Gaulle nennt, so wie die Türkei sich immer noch auf Atatürks Sechs-Pfeile-Ideologie stutzt, und so wie die Vereinigten Staaten sich immer noch auf die Gestalten und Werte der halb legendären Gründerväter zurückbesinnen.
Es bedarf einer gedanklichen Verarbeitung und Beschreibung des Regierungssystems von Putin, sowie des gesamten Ideenkomplexes und der Dimensionen des Putinismus als Ideologie der Zukunft. Das Wort Zukunft ist hierbei ausschlaggebend, denn der echte Putin ist kaum ein Putinist, genauso wie Marx kein Marxist war, und vielleicht hätte Marx nie ein Marxist werden wollen, wenn er erfahren hätte, was der Marxismus tatsächlich ist. Wie auch immer ist die obengenannte gedankliche Verarbeitung für alldiejenigen notwendig, wer nicht Putin heißt, gern aber wie Putin sein möchte. Das braucht man, um seine Methoden und Ansätze in die Zukunft auszusenden.
Die Beschreibung sollte nicht im Stil von zwei Propaganda-Arten (der „unsrigen“ und „nicht unsrigen“) ausgeführt werden, sondern in einer Sprache, die sowohl russische als auch antirussische offizielle Stellen als mäßig ketzerisch empfinden würden. Eine solche Sprache kann für ein ziemlich breites Publikum akzeptabel sein. Und das ist auch nötig, weil das in Russland entstandene politische System nicht nur für eine innenrussische Zukunft geeignet ist. Es hat eindeutig ein erhebliches Exportpotenzial. Die Nachfrage nach diesem System oder seinen einzelnen Bestandteilen ist bereits vorhanden, seine Methoden werden untersucht und teilweise übernommen. In vielen Ländern ahmen ihn sowohl regierende als auch oppositionelle Gruppen nach.
Ausländische Politiker unterstellen Russland die Einmischung in Wahlen und Referenden auf der ganzen Welt. Die Realität ist aber noch schlimmer: Russland mischt sich direkt in deren Gehirne ein, und die betroffenen Personen wissen nicht mehr, was sie nun mit ihrem von Russland modifizierten Bewusstsein anfangen sollen. Seitdem unser Land nach den unglücklichen 90er Jahren auf ideologische Kredite verzichtete, und stattdessen eigene Sinnbilder zu produzieren begann, sowie zur Informationsoffensive gegen den Westen wechselte, begannen europäische und amerikanische Experten immer häufiger falsche Prognosen zu generieren. Paranormale Vorlieben des Elektorats machen diese Experten stutzig und wütend. Völlig verwirrt berichten sie nun über den Einfall des Populismus. Diese Formulierung ist schon in Ordnung, solange man keine bessere hat.
Währenddessen ist das Interesse der Ausländer am russischen politischen Algorithmus nachvollziehbar, denn es gibt bekanntlich keinen Propheten in seiner Heimat, und alles, was ihnen heute passiert, wurde von Russland seit langem vorhergesagt.
Als alle noch nach der Globalisierung verrückt und von einer flachen Welt ohne Grenzen dümmlich begeistert waren, erinnerte Moskau deutlich daran, dass die Souveränität und nationale Interessen immer noch von Bedeutung sind. Damals wurden wir beschuldigt, an all diesen angeblich altmodischen Dingen naiv zu kleben. Man hat uns belehrt, die bemoosten Werte des 19. Jahrhunderts wegzuschmeißen, und tapfer in das einundzwanzigste Jahrhundert zu marschieren, wo ja keine souveränen Nationen und Nationalstaaten mehr existieren sollten. Aber im einundzwanzigsten Jahrhundert läuft alles bis jetzt eben nach dem russischen Szenario. Der englische Brexit, das amerikanische Great-Again, eine migrationsbedingte europäische Umzäunung. Das sind nur einige Punkte aus der langen Liste der Deglobalisierung, Resouveränisierung und des Nationalismus.
Als das Internet an jeder Ecke als unantastbarer Raum der uneingeschränkten Freiheit gelobt wurde, wo jeder angeblich alles Mögliche tun kann, und wo angeblich alle gleich sind, kam die ernüchternde Frage aus Russland zu der betrogenen Menschheit: „Und wer sind wir in diesem weltweiten Netz: Spinnen oder Fliegen?“ Heute sind alle - einschließlich der freiheitsliebenden Bürokratien - tüchtig am Netzentwirren, und zwischendurch unterstellt man auch noch Facebook die Duldung ausländischer Interventionen. Einst freier virtueller Raum, hochgepriesen als Prototyp des kommenden Paradieses, wird heute von Cyberpolizei, Cyberkriminalität, Cybertruppen, Cyberspionen, Cyberterroristen und Cybermoralisten kontrolliert.
Als die Hegemonie des "Hegemons" von niemandem mehr bestritten wurde, der große amerikanische Traum von der Weltherrschaft beinahe erfüllt, und das Ende der Geschichte mit der abschließenden Bemerkung "Völker schweigen" von vielen klar sichtbar war, unterbrach die Münchner Rede Putins die Stile. Damals klang sie durchaus dissidentisch. Heute ist alles, was Putin sagte, selbstverständlich geworden: Jeder, einschließlich der Amerikaner, ist mit Amerika unzufrieden.
Vor nicht allzu langer Zeit wurde ein wenig bekannter Begriff „derin devlet“ aus dem türkischen politischen Wörterbuch von amerikanischen Medien repliziert, als „deep state“ ins Englische übersetzt und von unseren Massenmedien übernommen. Der Terminus bedeutet eine starre, absolut undemokratische Netzwerkorganisation der wirklichen Machtstrukturen, die sich hinter den äußeren, exponierten demokratischen Institutionen verbergen. Ein Mechanismus, der in der Praxis durch Gewalt, Bestechung und Manipulation wirkt und tief unter der Oberfläche der Zivilgesellschaft verborgen ist.
Die Amerikaner, die den unangenehmen "tiefen Staat“ in ihrem Land entdeckt haben, waren jedoch nicht besonders überrascht, weil sie sowas irgendwie schon lande ahnten. Es gibt doch deep net und dark net, warum also nicht deep state oder sogar dark state? Aus den Tiefen und dem Finsternis dieser nichtöffentlichen und nicht proklamierten Macht tauchen die hellen Spiegelungen der Demokratie auf, die dort für die Massen gebastelt werden: die Illusion der Wahl, das Gefühl der Freiheit, das Gefühl der Überlegenheit usw.
Misstrauen und Neid, die von der Demokratie als vorrangige Quellen sozialer Energie genutzt werden, führen unweigerlich zu einer Absolutierung der Kritik und zu einer Zunahme des Angstgefühls. Haters, Trolle und böse Bots bildeten eine schrille Mehrheit, die die ehrenvolle Mittelschicht, die vorher einen völlig anderen Ton angab, aus der beherrschenden Stellung verdrängte.
Nun glaubt niemand mehr an die guten Absichten der Politiker. Man beneidet sie, darum werden sie für bösartige, listige Menschen, sogar für Schurken gehalten. Berühmte politografische TV-Serien zeigen naturalistische Bilder vom trüben Alltag des Establishments.
Einen Schurken darf man nicht allzu weit gehen lassen, aus dem einfachen Grund, weil er eben ein Schurke ist. Und wenn überall (vermutlich) nur Schurken sind, muss man sie durch andere Schurken im Zaum halten. Genauso wie die Keile, treibt ein Schurke den anderen... Es gibt eine breite Palette von Schurken und komplizierten Regeln, die dazu dienen sollen, den Kampf der Schurken untereinander auf ein mehr oder weniger gezieltes (unentschiedenes) Ergebnis zu reduzieren. So entsteht das wohltuende System der Kontrolle und des Gleichgewichts - das dynamische Gleichgewicht der Niedrigkeit und der Gier, die Harmonie der Trickserei. Aber sobald ein Spielverderber auftaucht, der sich disharmonisch benimmt, eilt der wachsame, tiefe Staat zur Rettung und zieht den Abtrünnigen mit einer unsichtbaren Hand in die Dunkelheit.
Dieses vorgeschlagene Bild der westlichen Demokratie ist nicht wirklich gruselig, denn es reicht aus, den Blickwinkel ein bisschen zu ändern, und die Welt wird wieder seelensgut. Aber ein gewisses Nachgeschmack bleibt irgendwie doch, darum fängt der westliche Bürger an sich umzuschauen, um andere Existenzmuster zu finden. Und eines Tages entdeckt er Russland.
Unser System sieht bestimmt nicht eleganter aus, aber ehrlicher. Obwohl „ehrlicher“ nicht unbedingt mit „besser“ gleichbedeutend ist, besitzt dieses Wort doch einen gewissen Reiz.
Der russische Staat ist weder tief noch seicht. Es ist gänzlich in allen seinen Teilen und äußeren Erscheinungen. Seine brutalsten Konstruktionen sieht man direkt an der Fassade ohne jegliche architektonische Exzessen. Die russische Bürokratie trickst die Bürger nur schlampig aus, mit klarem Verständnis dass „sowieso alle alles verstehen“.
Eine hohe innere Spannung der Staat, die aus Notwendigkeit der Kontrolle über riesige heterogene Territorien folgt, sowie der ständige Verbleib im geopolitischen Kampf, machen die militärpolizeilichen Funktionen des Staates wichtig und entscheidend. Traditionell werden diese Funktionen nicht verborgen. Ganz im Gegenteil werden sie zur Schau gestellt. Denn Russland wurde nie von Kaufleuten und Liberalen regiert (fast nie, Ausnahmen: einige Monate im Jahr 1917 und ein paar Jahre in den 90er), die die Kriegsführung weniger wichtig als den Handel betrachten, und alles „Polizeiliche“ per se leugnen. Es gab in der russischen Elite niemanden, der die Wahrheit mit Illusionen verhüllte und die immanenten Eigenschaften des Staates, sich zu verteidigen und anzugreifen, schüchtern in den Hintergrund drängte und tief versteckte.
Es gibt keinen tiefen Staat in Russland, er ist vor aller Augen, aber es gibt ein tiefes Volk.
Die Elite glänzt auf der Oberfläche, Jahrhundert für Jahrhundert. Sie involviert das Volk aktiv in einige ihrer Aktivitäten: Parteiversammlungen, Kriege, Wahlen, wirtschaftliche Experimente. Das Volk beteiligt sich zwar daran, jedoch etwas distanziert. Es taucht kaum an der Oberfläche und lebt in seinen eigenen Tiefen ein völlig anderes Leben. Diese zwei Leben einer Nation (in der Tiefe und auf der Oberfläche) bewegen sich mal in der entgegengesetzten, mal in der gleichen Richtung. Sie werden aber nie zu einer Einheit.
Das tiefe Volk hat es faustdick hinter den Ohren. Es ist unerreichbar für soziologische Umfragen, Kampagnen, Bedrohungen und andere direkte Untersuchungs- und Einflussmethoden. Das Verständnis darüber, wer das russische Volk eigentlich ist, was es so denkt und was es will, kommt oft zu plötzlich und zu spät, und manchmal auch nicht zu denen, die damit etwas anfangen können.
Es gibt kaum Sozialwissenschaftler, die es wagen, genau zu bestimmen, ob das tiefe russische Volk zahlenmäßig der Gesamtbevölkerung gleich ist, oder nur ein Teil davon darstellt, und wenn ja, welchen Teil genau. In verschiedenen Zeiten hielt man mal Bauern, mal Proletarier, mal Parteilose, mal Hipster für das tiefe russische Volk. Man suchte nach ihm, man versuchte ins Volk einzutauchen. Man hielt es für gotttragend, und auch nicht. Es gab Zeiten, wo man sicher war, das dieses Volk gar nicht gibt. Darauf folgten galoppierende Reformen ohne Rücksicht auf das russische Volk, die dann katastrophal endeten, und die Reformer schnell zur Einsicht brachten, dass das tiefe Volk doch existiert. Dieses Volk gab schon mal dem Druck seiner eigenen oder fremden Invasoren nach, kehrte aber immer wieder zurück.
Die gigantische Supermasse des tiefen russischen Volkes generiert eine unwiderstehliche Wucht der kulturellen Gravitation, die die Nation zementiert und die Elite zurück zum Heimatland zieht / drückt, sobald sie kosmopolitisch aufzuschweben versucht.
Der Volkscharakter geht der Staatlichkeit voraus, gestaltet ihre Form, begrenzt die Fantasien der Theoretiker und zwingt Praktiker nach bestimmten Regeln zu handeln. Er ist ein kräftiger Anziehungspunkt, zu welchem ausnahmslos alle politischen Leitbahnen führen. Egal wie man Russland regiert, ob konservativ, sozialistisch oder liberal, schlussendlich kommt man auf das Wichtigste zu. Und zum Wichtigsten kommen wir nun.
Das tiefe russische Volk zu hören und zu verstehen, und entsprechend zu handeln ist eine ziemlich einzigartige und wichtige Eigenschaft des Putin-Staates. Dieser Staat ist dem Volk adäquat und somit gegen zerstörerische Überlastungen des geschichtlichen Gegenstroms geschützt. Das macht ihn effektiv und dauerhaft.
In dem neuen System erfüllen alle Institutionen die Hauptaufgabe, die darin besteht, eine vertrauliche Kommunikation zwischen dem Staatsoberhaupt und den Bürgern sicherzustellen. Diverse Gewalten laufen bei der führenden Persönlichkeit zusammen. Sie erfüllen ihre Funktionen nur, solange sie die Kommunikation zwischen dem Volk und dem Oberhaupt gewährleisten. Daneben existieren auch informelle Kommunikationswege, die an den Elite-Gruppen vorbeilaufen. Und falls Dummheit, Rückständigkeit oder Korruption diese Kommunikation stören, werden energische Maßnahmen ergriffen, um die Verständigung wiederherzustellen.
Die aus dem Westen übernommene mehrschichtige politische Strukturen werden manchmal als teilweise rituell betrachtet, um halt "wie die anderen“ zu sein, damit die Unterschiede in unserer politischen Kultur unseren Nachbarn nicht so sehr auffallen, sie nicht irritieren und nicht verängstigen. Sie sind wie ein Kleid, in dem man ausgeht. Aber zu Hause ist man eben zu Hause, und jeder weiß, was man so anhat.
Im Wesentlichen vertraut die Gesellschaft aber nur dem Staatsoberhaupt. Ob das am Stolz des nicht eroberbaren Volkes liegt, oder ist das ein Wunsch, die Wege der Wahrheit zu begradigen, oder etwas anderes, ist schwer zu sagen, aber dies ist eine Tatsache und zwar keine neue Tatsache. Neu ist aber, dass der Staat diese Tatsache nicht ignoriert, und sie bei seinen Entscheidungen berücksichtigt.
Es wäre jedoch eine Vereinfachung, dieses Thema auf den berüchtigten "Glauben an den guten Zaren" zu reduzieren. Das tiefe Volk ist alles andere als naiv. Die Barmherzigkeit hält es kaum für eine Zarentugend. Eher könnte das tiefe russische Volk über das richtige Staatsoberhaupt das sagen, was Einstein über den Gott sagte: „Anspruchsvoll, aber nicht bösartig“.
Das moderne Modell des russischen Staates beginnt mit dem Vertrauen und basiert darauf. Dies ist der grundlegende Unterschied zum westlichen Modell, wo Misstrauen und Kritik gefördert werden. Dies ist auch seine Stärke.
Unser neuer Staat wird im neuen Jahrhundert eine lange und glorreiche Geschichte haben. Er bleibt stabil. Er wird nach seinem Ermessen handeln, er wird Preise in der obersten Liga des geopolitischen Kampfes erhalten und behalten. Früher oder später müssen alle, die von Russland eine "Verhaltensänderung" fordern, dies akzeptieren. Denn es scheint nur, dass sie eine Wahl haben.
Quelle
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„Es scheint nur, dass wir eine Wahl haben“. Das sind die Worte, die in ihrer Tiefe und Kühnheit überaus markant sind. Ausgesprochen wurden sie vor 15 Jahren. Heute sind sie vergessen und werden nicht mehr zitiert. Aber das, was wir vergessen, beeinflusst uns viel mehr, als das, woran wir uns noch erinnern. So funktionieren Gesetze der Psychologie. Diese Worte, die weit über den ursprünglichen Kontext hinausgingen, wurden zum ersten Axiom der neuen russischen Staatlichkeit, zum Axiom, auf dem sich nun alle Theorien und Praktiken der aktuellen Politik basieren.Die Illusion der Wahl ist die wichtigste der Illusionen und der wichtigste Trick der westlichen Lebensweise und der westlichen Demokratie, die sich schon seit langem eher den Ideen von Barnum als dem Cleisthenes verschrieben hat. Die Ablehnung dieser Illusion zugunsten des Realismus der Prädestinierung veranlasste unsere Gesellschaft, zunächst über ihre eigene, souveräne Version der demokratischen Entwicklung nachzudenken und dann das Interesse an Diskussionen darüber zu verlieren, was Demokratie sein sollte, und ob sie prinzipiell existieren sollte.
Die Wege des freien Staatsaufbaus öffneten sich, und zwar nicht durch importierte Chimären, sondern durch die Logik historischer Prozesse und damit durch die "Kunst des Möglichen". Ein unmöglicher, unnatürlicher und gegengeschichtlicher Zerfall Russlands wurde gestoppt, wenn auch mit Verspätung. Nachdem Russland vom Niveau der UdSSR bis zum Niveau der Russischen Föderation hinuntergerutscht war, hörte es auf zu kollabieren. Es begann sich zu erholen und kehrte schließlich zu seinem natürlichen und einzig möglichen Zustand einer großen, wachsenden und zusammenwachsenden Gemeinschaft der Nationen zurück. Die unbescheidene Rolle unseres Landes in der Weltgeschichte erlaubt es uns nicht, die Bühne zu verlassen oder in der Menge zu schweigen. Sie verspricht keine Ruhe und gibt einen unruhigen Charakter der hiesigen Staatlichkeit vor.
Also existiert der russische Staat weiter, jetzt aber nach einem neuen Typ, den wir bis jetzt noch nicht kannten. Dieser Staatstyp kam in der Mitte der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts zustande. Er ist noch bei weitem unerforscht, aber seine Originalität und Lebensfähigkeit liegen auf der Hand. Stresstests, die dieser Staat bereits bestanden hat und weiter besteht, zeigen, dass ein solches organisch gebildetes Modell der politischen Struktur in den nächsten nicht nur Jahren, sondern auch Jahrzehnten und höchstwahrscheinlich für das gesamte kommende Jahrhundert ein wirksames Mittel zum Überleben und zur Erhebung der russischen Nation sein wird.
Also kennt die russische Geschichte vier wesentliche Staatsmodelle, die nach den Namen ihrer Schöpfer bezeichnet werden können: der Staat von Iwan dem Dritten (Großherzogtum / Königreich Moskau und ganz Russland, XV - XVII. Jahrhundert); der Staat von Peter dem Großen (Russisches Reich, XVIII - XIX Jahrhunderte); der Staat von Lenin (Sowjetunion, 20. Jahrhundert); Putins Staat (Russische Föderation, XXI Jahrhundert). Von den Menschen des langen Willens (nach Gumilews Ausdrucksweise) geschaffen sicherten diese riesigen politischen Maschinen, die sich nacheinander ablösten und im Laufe der Jahrhunderte repariert und angepasst wurden, eine hartnäckige Aufwärtsbewegung für die russische Welt.
Putins große politische Maschine gewinnt erst jetzt an Schwung und stellt sich auf ein langes, schwieriges und interessantes Wirken ein. Die volle Auslastung dieser Maschine ist nicht einmal in Sicht. Aber auch in vielen Jahren bleibt Russland immer noch Putins Staat, so wie sich das moderne Frankreich immer noch die Fünfte Republik von de Gaulle nennt, so wie die Türkei sich immer noch auf Atatürks Sechs-Pfeile-Ideologie stutzt, und so wie die Vereinigten Staaten sich immer noch auf die Gestalten und Werte der halb legendären Gründerväter zurückbesinnen.
Es bedarf einer gedanklichen Verarbeitung und Beschreibung des Regierungssystems von Putin, sowie des gesamten Ideenkomplexes und der Dimensionen des Putinismus als Ideologie der Zukunft. Das Wort Zukunft ist hierbei ausschlaggebend, denn der echte Putin ist kaum ein Putinist, genauso wie Marx kein Marxist war, und vielleicht hätte Marx nie ein Marxist werden wollen, wenn er erfahren hätte, was der Marxismus tatsächlich ist. Wie auch immer ist die obengenannte gedankliche Verarbeitung für alldiejenigen notwendig, wer nicht Putin heißt, gern aber wie Putin sein möchte. Das braucht man, um seine Methoden und Ansätze in die Zukunft auszusenden.
Die Beschreibung sollte nicht im Stil von zwei Propaganda-Arten (der „unsrigen“ und „nicht unsrigen“) ausgeführt werden, sondern in einer Sprache, die sowohl russische als auch antirussische offizielle Stellen als mäßig ketzerisch empfinden würden. Eine solche Sprache kann für ein ziemlich breites Publikum akzeptabel sein. Und das ist auch nötig, weil das in Russland entstandene politische System nicht nur für eine innenrussische Zukunft geeignet ist. Es hat eindeutig ein erhebliches Exportpotenzial. Die Nachfrage nach diesem System oder seinen einzelnen Bestandteilen ist bereits vorhanden, seine Methoden werden untersucht und teilweise übernommen. In vielen Ländern ahmen ihn sowohl regierende als auch oppositionelle Gruppen nach.
Ausländische Politiker unterstellen Russland die Einmischung in Wahlen und Referenden auf der ganzen Welt. Die Realität ist aber noch schlimmer: Russland mischt sich direkt in deren Gehirne ein, und die betroffenen Personen wissen nicht mehr, was sie nun mit ihrem von Russland modifizierten Bewusstsein anfangen sollen. Seitdem unser Land nach den unglücklichen 90er Jahren auf ideologische Kredite verzichtete, und stattdessen eigene Sinnbilder zu produzieren begann, sowie zur Informationsoffensive gegen den Westen wechselte, begannen europäische und amerikanische Experten immer häufiger falsche Prognosen zu generieren. Paranormale Vorlieben des Elektorats machen diese Experten stutzig und wütend. Völlig verwirrt berichten sie nun über den Einfall des Populismus. Diese Formulierung ist schon in Ordnung, solange man keine bessere hat.
Währenddessen ist das Interesse der Ausländer am russischen politischen Algorithmus nachvollziehbar, denn es gibt bekanntlich keinen Propheten in seiner Heimat, und alles, was ihnen heute passiert, wurde von Russland seit langem vorhergesagt.
Als alle noch nach der Globalisierung verrückt und von einer flachen Welt ohne Grenzen dümmlich begeistert waren, erinnerte Moskau deutlich daran, dass die Souveränität und nationale Interessen immer noch von Bedeutung sind. Damals wurden wir beschuldigt, an all diesen angeblich altmodischen Dingen naiv zu kleben. Man hat uns belehrt, die bemoosten Werte des 19. Jahrhunderts wegzuschmeißen, und tapfer in das einundzwanzigste Jahrhundert zu marschieren, wo ja keine souveränen Nationen und Nationalstaaten mehr existieren sollten. Aber im einundzwanzigsten Jahrhundert läuft alles bis jetzt eben nach dem russischen Szenario. Der englische Brexit, das amerikanische Great-Again, eine migrationsbedingte europäische Umzäunung. Das sind nur einige Punkte aus der langen Liste der Deglobalisierung, Resouveränisierung und des Nationalismus.
Als das Internet an jeder Ecke als unantastbarer Raum der uneingeschränkten Freiheit gelobt wurde, wo jeder angeblich alles Mögliche tun kann, und wo angeblich alle gleich sind, kam die ernüchternde Frage aus Russland zu der betrogenen Menschheit: „Und wer sind wir in diesem weltweiten Netz: Spinnen oder Fliegen?“ Heute sind alle - einschließlich der freiheitsliebenden Bürokratien - tüchtig am Netzentwirren, und zwischendurch unterstellt man auch noch Facebook die Duldung ausländischer Interventionen. Einst freier virtueller Raum, hochgepriesen als Prototyp des kommenden Paradieses, wird heute von Cyberpolizei, Cyberkriminalität, Cybertruppen, Cyberspionen, Cyberterroristen und Cybermoralisten kontrolliert.
Als die Hegemonie des "Hegemons" von niemandem mehr bestritten wurde, der große amerikanische Traum von der Weltherrschaft beinahe erfüllt, und das Ende der Geschichte mit der abschließenden Bemerkung "Völker schweigen" von vielen klar sichtbar war, unterbrach die Münchner Rede Putins die Stile. Damals klang sie durchaus dissidentisch. Heute ist alles, was Putin sagte, selbstverständlich geworden: Jeder, einschließlich der Amerikaner, ist mit Amerika unzufrieden.
Vor nicht allzu langer Zeit wurde ein wenig bekannter Begriff „derin devlet“ aus dem türkischen politischen Wörterbuch von amerikanischen Medien repliziert, als „deep state“ ins Englische übersetzt und von unseren Massenmedien übernommen. Der Terminus bedeutet eine starre, absolut undemokratische Netzwerkorganisation der wirklichen Machtstrukturen, die sich hinter den äußeren, exponierten demokratischen Institutionen verbergen. Ein Mechanismus, der in der Praxis durch Gewalt, Bestechung und Manipulation wirkt und tief unter der Oberfläche der Zivilgesellschaft verborgen ist.
Die Amerikaner, die den unangenehmen "tiefen Staat“ in ihrem Land entdeckt haben, waren jedoch nicht besonders überrascht, weil sie sowas irgendwie schon lande ahnten. Es gibt doch deep net und dark net, warum also nicht deep state oder sogar dark state? Aus den Tiefen und dem Finsternis dieser nichtöffentlichen und nicht proklamierten Macht tauchen die hellen Spiegelungen der Demokratie auf, die dort für die Massen gebastelt werden: die Illusion der Wahl, das Gefühl der Freiheit, das Gefühl der Überlegenheit usw.
Misstrauen und Neid, die von der Demokratie als vorrangige Quellen sozialer Energie genutzt werden, führen unweigerlich zu einer Absolutierung der Kritik und zu einer Zunahme des Angstgefühls. Haters, Trolle und böse Bots bildeten eine schrille Mehrheit, die die ehrenvolle Mittelschicht, die vorher einen völlig anderen Ton angab, aus der beherrschenden Stellung verdrängte.
Nun glaubt niemand mehr an die guten Absichten der Politiker. Man beneidet sie, darum werden sie für bösartige, listige Menschen, sogar für Schurken gehalten. Berühmte politografische TV-Serien zeigen naturalistische Bilder vom trüben Alltag des Establishments.
Einen Schurken darf man nicht allzu weit gehen lassen, aus dem einfachen Grund, weil er eben ein Schurke ist. Und wenn überall (vermutlich) nur Schurken sind, muss man sie durch andere Schurken im Zaum halten. Genauso wie die Keile, treibt ein Schurke den anderen... Es gibt eine breite Palette von Schurken und komplizierten Regeln, die dazu dienen sollen, den Kampf der Schurken untereinander auf ein mehr oder weniger gezieltes (unentschiedenes) Ergebnis zu reduzieren. So entsteht das wohltuende System der Kontrolle und des Gleichgewichts - das dynamische Gleichgewicht der Niedrigkeit und der Gier, die Harmonie der Trickserei. Aber sobald ein Spielverderber auftaucht, der sich disharmonisch benimmt, eilt der wachsame, tiefe Staat zur Rettung und zieht den Abtrünnigen mit einer unsichtbaren Hand in die Dunkelheit.
Dieses vorgeschlagene Bild der westlichen Demokratie ist nicht wirklich gruselig, denn es reicht aus, den Blickwinkel ein bisschen zu ändern, und die Welt wird wieder seelensgut. Aber ein gewisses Nachgeschmack bleibt irgendwie doch, darum fängt der westliche Bürger an sich umzuschauen, um andere Existenzmuster zu finden. Und eines Tages entdeckt er Russland.
Unser System sieht bestimmt nicht eleganter aus, aber ehrlicher. Obwohl „ehrlicher“ nicht unbedingt mit „besser“ gleichbedeutend ist, besitzt dieses Wort doch einen gewissen Reiz.
Der russische Staat ist weder tief noch seicht. Es ist gänzlich in allen seinen Teilen und äußeren Erscheinungen. Seine brutalsten Konstruktionen sieht man direkt an der Fassade ohne jegliche architektonische Exzessen. Die russische Bürokratie trickst die Bürger nur schlampig aus, mit klarem Verständnis dass „sowieso alle alles verstehen“.
Eine hohe innere Spannung der Staat, die aus Notwendigkeit der Kontrolle über riesige heterogene Territorien folgt, sowie der ständige Verbleib im geopolitischen Kampf, machen die militärpolizeilichen Funktionen des Staates wichtig und entscheidend. Traditionell werden diese Funktionen nicht verborgen. Ganz im Gegenteil werden sie zur Schau gestellt. Denn Russland wurde nie von Kaufleuten und Liberalen regiert (fast nie, Ausnahmen: einige Monate im Jahr 1917 und ein paar Jahre in den 90er), die die Kriegsführung weniger wichtig als den Handel betrachten, und alles „Polizeiliche“ per se leugnen. Es gab in der russischen Elite niemanden, der die Wahrheit mit Illusionen verhüllte und die immanenten Eigenschaften des Staates, sich zu verteidigen und anzugreifen, schüchtern in den Hintergrund drängte und tief versteckte.
Es gibt keinen tiefen Staat in Russland, er ist vor aller Augen, aber es gibt ein tiefes Volk.
Die Elite glänzt auf der Oberfläche, Jahrhundert für Jahrhundert. Sie involviert das Volk aktiv in einige ihrer Aktivitäten: Parteiversammlungen, Kriege, Wahlen, wirtschaftliche Experimente. Das Volk beteiligt sich zwar daran, jedoch etwas distanziert. Es taucht kaum an der Oberfläche und lebt in seinen eigenen Tiefen ein völlig anderes Leben. Diese zwei Leben einer Nation (in der Tiefe und auf der Oberfläche) bewegen sich mal in der entgegengesetzten, mal in der gleichen Richtung. Sie werden aber nie zu einer Einheit.
Das tiefe Volk hat es faustdick hinter den Ohren. Es ist unerreichbar für soziologische Umfragen, Kampagnen, Bedrohungen und andere direkte Untersuchungs- und Einflussmethoden. Das Verständnis darüber, wer das russische Volk eigentlich ist, was es so denkt und was es will, kommt oft zu plötzlich und zu spät, und manchmal auch nicht zu denen, die damit etwas anfangen können.
Es gibt kaum Sozialwissenschaftler, die es wagen, genau zu bestimmen, ob das tiefe russische Volk zahlenmäßig der Gesamtbevölkerung gleich ist, oder nur ein Teil davon darstellt, und wenn ja, welchen Teil genau. In verschiedenen Zeiten hielt man mal Bauern, mal Proletarier, mal Parteilose, mal Hipster für das tiefe russische Volk. Man suchte nach ihm, man versuchte ins Volk einzutauchen. Man hielt es für gotttragend, und auch nicht. Es gab Zeiten, wo man sicher war, das dieses Volk gar nicht gibt. Darauf folgten galoppierende Reformen ohne Rücksicht auf das russische Volk, die dann katastrophal endeten, und die Reformer schnell zur Einsicht brachten, dass das tiefe Volk doch existiert. Dieses Volk gab schon mal dem Druck seiner eigenen oder fremden Invasoren nach, kehrte aber immer wieder zurück.
Die gigantische Supermasse des tiefen russischen Volkes generiert eine unwiderstehliche Wucht der kulturellen Gravitation, die die Nation zementiert und die Elite zurück zum Heimatland zieht / drückt, sobald sie kosmopolitisch aufzuschweben versucht.
Der Volkscharakter geht der Staatlichkeit voraus, gestaltet ihre Form, begrenzt die Fantasien der Theoretiker und zwingt Praktiker nach bestimmten Regeln zu handeln. Er ist ein kräftiger Anziehungspunkt, zu welchem ausnahmslos alle politischen Leitbahnen führen. Egal wie man Russland regiert, ob konservativ, sozialistisch oder liberal, schlussendlich kommt man auf das Wichtigste zu. Und zum Wichtigsten kommen wir nun.
Das tiefe russische Volk zu hören und zu verstehen, und entsprechend zu handeln ist eine ziemlich einzigartige und wichtige Eigenschaft des Putin-Staates. Dieser Staat ist dem Volk adäquat und somit gegen zerstörerische Überlastungen des geschichtlichen Gegenstroms geschützt. Das macht ihn effektiv und dauerhaft.
In dem neuen System erfüllen alle Institutionen die Hauptaufgabe, die darin besteht, eine vertrauliche Kommunikation zwischen dem Staatsoberhaupt und den Bürgern sicherzustellen. Diverse Gewalten laufen bei der führenden Persönlichkeit zusammen. Sie erfüllen ihre Funktionen nur, solange sie die Kommunikation zwischen dem Volk und dem Oberhaupt gewährleisten. Daneben existieren auch informelle Kommunikationswege, die an den Elite-Gruppen vorbeilaufen. Und falls Dummheit, Rückständigkeit oder Korruption diese Kommunikation stören, werden energische Maßnahmen ergriffen, um die Verständigung wiederherzustellen.
Die aus dem Westen übernommene mehrschichtige politische Strukturen werden manchmal als teilweise rituell betrachtet, um halt "wie die anderen“ zu sein, damit die Unterschiede in unserer politischen Kultur unseren Nachbarn nicht so sehr auffallen, sie nicht irritieren und nicht verängstigen. Sie sind wie ein Kleid, in dem man ausgeht. Aber zu Hause ist man eben zu Hause, und jeder weiß, was man so anhat.
Im Wesentlichen vertraut die Gesellschaft aber nur dem Staatsoberhaupt. Ob das am Stolz des nicht eroberbaren Volkes liegt, oder ist das ein Wunsch, die Wege der Wahrheit zu begradigen, oder etwas anderes, ist schwer zu sagen, aber dies ist eine Tatsache und zwar keine neue Tatsache. Neu ist aber, dass der Staat diese Tatsache nicht ignoriert, und sie bei seinen Entscheidungen berücksichtigt.
Es wäre jedoch eine Vereinfachung, dieses Thema auf den berüchtigten "Glauben an den guten Zaren" zu reduzieren. Das tiefe Volk ist alles andere als naiv. Die Barmherzigkeit hält es kaum für eine Zarentugend. Eher könnte das tiefe russische Volk über das richtige Staatsoberhaupt das sagen, was Einstein über den Gott sagte: „Anspruchsvoll, aber nicht bösartig“.
Das moderne Modell des russischen Staates beginnt mit dem Vertrauen und basiert darauf. Dies ist der grundlegende Unterschied zum westlichen Modell, wo Misstrauen und Kritik gefördert werden. Dies ist auch seine Stärke.
Unser neuer Staat wird im neuen Jahrhundert eine lange und glorreiche Geschichte haben. Er bleibt stabil. Er wird nach seinem Ermessen handeln, er wird Preise in der obersten Liga des geopolitischen Kampfes erhalten und behalten. Früher oder später müssen alle, die von Russland eine "Verhaltensänderung" fordern, dies akzeptieren. Denn es scheint nur, dass sie eine Wahl haben.
Quelle
Ich bin 2016 u. 2017 mit Druschba u. Rollator nach Russland gefahren, um angesichts des drohenden Krieges des Westens gegen Russland, mir nicht selbst die Frage stellen zu müssen,mit denen ich meine Eltern als Nachkriegskind sattsam genervt habe," Warum habt Ihr nichts dagegen getan?". Der obige Artikel ist die bisher präziseste theoretische Beschreibung dessen, was ich bei diesen Reisen erlebt habe. Danke dafür und für die Mühen der Übersetzung. L.G. Marie
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